
Nachdem du in Teil 1 gelernt hast, wie du Lehmglätte grundlegend aufträgst, gehen wir jetzt einen Schritt weiter. Denn Lehmglätte ist nicht nur ein funktionaler Wandputz - sie ist auch ein kreatives Gestaltungsmittel mit enormem Potenzial. Ob schlichte Eleganz, seidiger Glanz oder dramatischer Tiefeneffekt: Mit der richtigen Technik entstehen Unikate.
1. Untergründe im Detail - worauf du achten solltest
Geeignet sind:
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Gipskartonplatten (mit feiner Spachtelung, nicht zu saugend)
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Kalk- oder Zementputze
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alte Lehmputze (fest und sauber)
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fein gespachtelte Innenwände
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glatter Beton (mit Tiefengrund vorbehandeln)
Problematisch sind:
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stark saugende Untergründe (z. B. Gips, Porenbeton): -> Tiefgrund / Vorlehmung nötig
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glatte, nicht saugende Untergründe (z. B. Lack, Fliesen): -> Haftbrücke oder Armierungsputz
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Wände mit Schimmel, Salzausblühungen oder feuchte Stellen: -> nicht geeignet!
Tipp für saubere Flächen: Spachtle Unebenheiten mit Lehmunterputz oder feinem Lehm-Füllstoff und schleife nach dem Trocknen mit einem Gitter oder Schleifvlies.
2. Verarbeitungstechniken - mehr als nur "drauf und glatt"
a) Klassisches Glätten
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Zwei dünne Schichten (je ca. 0,5-1 mm)
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Zweite Schicht leicht versetzt aufziehen
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Glätten im „Halbtrockenzustand" mit Edelstahlkelle für Seidenglanz
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Alternativ: Kunststoffkelle für matte, gleichmäßige Optik
b) Verdichten & Polieren
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Nach dem Antrocknen: Mit sauberer Kelle fest andrücken („brennen")
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Je mehr Druck, desto dichter und glänzender wird die Oberfläche
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Mit Wasser fein nacharbeiten - Achtung auf Wolkenbildung
c) Lasuren & Pigmente
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Farbige Effekte durch tönbare Glätte oder Lasur im Nachgang
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Pigmente immer feinstvermahlen und gut eingesumpft verwenden
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Bei mehrschichtigen Aufträgen Pigmente auch in einzelnen Lagen mischen
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Lasur auf Tonbasis oder verdünnte Lehmfarbe für Tiefe und Lebendigkeit
3. Profi-Tipps für Werkzeug & Handling
Werkzeugwahl
Werkzeug | Wirkung |
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Edelstahlkelle | Glatte, glänzende Oberflächen |
Kunststoffkelle | Gleichmäßig matt, weich verlaufend |
Japankelle | Feine Details, Ecken, kleine Flächen |
Polierkelle / Venezianerkelle | Für Hochglanz-Effekte |
Sprühflasche | Feine Befeuchtung zwischendurch |
Schleifvlies (Korn 180-320) | Für Nachbearbeitung, samtige Haptik |
Verarbeitung
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Material immer frisch anrühren, nie mehr als 3-4 Stunden offen stehen lassen
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Bei größeren Flächen: nass in nass arbeiten, um Ansätze zu vermeiden
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In Etappen arbeiten, z. B. Wandhälfte oder Felder - mit weichen Übergängen
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Achte auf Lichtverhältnisse - seitliches Streiflicht zeigt Unebenheiten früh
4. Gestaltungsvarianten - so holst du mehr aus deiner Wand
Farbe & Textur
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Pigmentierte Lehmglätte: direkt mit natürlichem Farbpulver einfärben
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Lasierende Effekte: nach dem Trocknen z. B. mit verdünnter Lehmfarbe abreiben
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Marmorierte Optik: mit leicht unterschiedlichen Farbtönen in Schichten arbeiten
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Mineralisches Finish: z. B. mit Marmormehl, Glimmer oder feinem Sand mischen
Glanz & Schutz
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Wachsfinish auf Bienenwachsbasis oder Carnaubawachs für seidenweichen Glanz
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Dünn mit einem Tuch oder Schwamm auftragen, nachpolieren
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Schützt vor Schmutz, leicht abwischbar (z. B. in Küche oder WC)
5. Häufige Fehler vermeiden
Fehler | Ursache | Lösung |
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Fleckige Oberfläche | ungleichmäßiges Trocknen, schlechte Grundierung | Vorher gut grundieren, gleichmäßig arbeiten |
Risse | zu dick aufgetragen oder zu schnell getrocknet | Dünner arbeiten, feucht halten, langsam trocknen lassen |
Kellenstriche sichtbar | zu früh oder zu spät geglättet | Zeitpunkt fürs Glätten besser abstimmen |
Glanz nicht einheitlich | ungleichmäßiger Druck beim Verdichten | gleichmäßiger Druck, evtl. nochmal feucht nacharbeiten |
Pigmente „blühen" aus | schlecht eingesumpft oder ungleichmäßig verteilt | Pigmente vorher gut einrühren, nicht „trocken" zugeben |
6. Pflege & Nachbehandlung
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Oberfläche kann mit einem feuchten Tuch abgewischt werden (ohne Seife)
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Kleinere Kratzer oder Macken einfach mit etwas Wasser und Glättkelle nachbearbeiten
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Wachsschicht bei Bedarf alle paar Jahre erneuern
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Keine scharfen Reiniger oder Mikrofasertücher verwenden - Lehm ist weich!
Fazit: Lehmglätte als gestalterisches Werkzeug
Wer die Grundverarbeitung beherrscht, kann mit Lehmglätte auf ein neues Niveau der Wandgestaltung gehen. Der Naturputz lebt von seiner Vielfalt: Jede Wand wird einzigartig - durch Handarbeit, Licht, Farbe und Struktur. Je besser du das Material verstehst, desto individueller kannst du gestalten.